Dienstag, 22. September 2015

Vor Gericht

Die Last der Schuld
sie wiegt sehr schwer.
Unschuld manchmal
gar noch mehr.

Ich trag sie beide jeden Tag.

Sie lasten stets mit grossem Druck.
Klammern nass und kalt
und zittern.

Bis das Urteil mich befreit.

Ich trag die Lasten der Befragten,
bin Zeuge allen Ungesagten.

Ich bin der Stuhl der Angeklagten.

Sonntag, 20. September 2015

Idee

Gleitet ein Gedanke frei
vorbei an altem Wissen,
so scheint egal was wirklich sei
und was dem Traum entrissen.

Der Gedanke bleibt bestehen.

Ist's wahr? Ist's möglich?
Alles völlig unerheblich,
denn das "wenn", das "falls", das "aber",
sind blindes Gegenwartsgelaber.

Gedanken sind Ideen.

Gleich dem Keim so klein und nichtig,
sind sie im Moment nicht wichtig.
Doch schlagen sie erst ihre Triebe,
schmieden sie, wie Hammerhiebe,

Eine neue Welt.

Samstag, 19. September 2015

Hauffriedensbruch

Ein Augenblick zum Jahr gestreckt,
von nassen Blättern zugedeckt
und unentdeckt;
Bis jetzt.

Ein Mantel Lichts erwärmt die Hand,
die deinen bunten Unterstand,
unerkannt,
verletzt.

Du riechst's in diesem Schreckensjahr,
du riechst was war,
riechst Gefahr.

Ein unberührter Blätterhaufen,
von fremder Hand entweiht.

Der Gärtner war's,
s'ist sein Geruch.

Totes Gras und warmer Ziegel.

Eines Müden Mannes Arbeitstag
ist Furtum nun für einen Igel.

Donnerstag, 23. Juli 2015

Sinn

Ein Mensch zu sein scheint fremdbestimmt,
zu sein ist Selbstverständlichkeit.
Obschon nur das dein Sein bestimmt,
was im Denken deinen Geist befreit.

Wo bleiben wir in diesen Tagen,
wo Alltag uns verschwinden lässt?
Wer mag nach unsrem Denkmal fragen,
wenn uns Erinnerung verlässt?

Sei ein Stein sagt dir die Welt.
Überdaure eine Ewigkeit.

Sei Wind sag ich, dir wohlgestellt.
Denn Wind weht mit der Zeit.

Und wo Sonette meistens enden,
gehe weiter, immer fort.

Lass die frohsten Grüsse senden,
mit deinem letzten Wort.

Und ziehe schweigend in die Ferne,
sei's im Kopf oder gar im Jetzt.
Gehe blind ohne Laterne,
denn das beste kommt zuletzt:

Ein Spiegel sei dir dies Gedicht,
zu sehen was sich klug verbirgt.
Der Mensch, nichts als ein Angesicht,
strebt nur bevor er stirbt.

Donnerstag, 7. Mai 2015

Die Schlucht

Nachtgraue Felswände formen den Trichter
an dessen Eröffnung ich steh.
Und wenden sich mit jedem Schritt immer dichter
zum blassgrünen Licht, das ich seh.

Der Himmel über der düsteren Schlucht
ist dunkelroter Wolkendunst.
Die Wurzeln greifen voller Wucht
den Fels in verbissener Kletterkunst.

Das blassgrün schimmernde Ende der Wände
strahlt verheissungsvoll den Boden an.
Und die Wipfel der Bäume winken behände
und rauschen damit ich sie hören kann.

Die Sonne indessen entschwebt meinem Blick,
der Himmel verschmilzt mit dem Stein.
Das weisende Licht zieht sich stetig zurück
und lässt meine Augen allein.

Die Dunkelheit legt ihre nasskalte Hand
um meinen Körper. Ich scheine verloren.

Da erreicht voller Zuspruch, reflektiert von der Wand,
das Rauschen des Walds meine Ohren.

Montag, 4. Mai 2015

Zuvielisation

Murmelnd, haspelnd, fingerraspelnd,
rasend oder starr vor Wahn.
Sitzen sie (beim Atmen rasselnd)
täglich in der Strassenbahn.

Blicke treffen sich und harren
für unbequeme Ewigkeiten.
Wie Menschen durch die Strassen karren,
wie überspannte Nervensaiten.

Die Norm erscheint mir abnormal,
je mehr ich von ihr sehe.

Bald sitz ich selbst erkaltet starrend,
weil ich sie nicht verstehe.

Mittwoch, 11. Februar 2015

Anarchie

Wir sind die tausend Neunmalklugen,
verdorbene Früchte des Baums der Gesellschaft.
Wir sind die Kinder eurer Fehler,
vom guten Ton dahingerafft.

Wir laufen schreiend um die Wette,
lachen, rufen, trinken, fluchen,
besuchen Orte, die uns versuchen.
Als dröhnende, bebende Ruhestätte.

Und wie wir so tosen, in dem hitzigen losen
Gemenge verwelkende Rosen liebkosen,
verendet die Zeit.

Wir werden erwachsen. Und schweigen ab dann
geordnet und stramm. Bis mit unserem letzten Wort ein Geist entstirbt.

Und die Seuche der Ordnung den nächsten verdirbt.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Samstagnacht

Ich höre neben meinen Schritten,
das Herz der kühlen Samstagnacht.
Es folgt bedächtig allen Tritten,
schlägt traumverloren unbedacht.

Ein Lufthauch gleicht dem Atemzug,
den Strassenbeugen manchmal hauchen.
Worte scheinen nicht genug,
wie immer wir sie auch gebrauchen.

Es schlägt und tanzt auf schwarzem Teer,
es summt aus jedem Abflussschacht.

Es gleitet singend hin und her,
das frohe Herz der Samstagnacht.

Samstag, 24. Januar 2015

Weltgeist

Befremde Mensch, Befremde!
Befremde dir vertraute Blicke.
Unverständlich schielen sie
dir pläneschmiedend hinterher.

Befremde Mensch, befremde!
Befremde das Nicken, das Lächeln.
Das Funkeln der Augen verrät Verrat!

Befremde, Mensch. Befremde.

Meide deine alt Bekannten,
sie wollen dir das Letzte nehmen.
Sieh nur wie sie äugeln!

Vertrauen war vor langer Zeit
ein Mythos von Verbundenheit.
Als das Menschensein noch Gleichheit war.
Als Fremde sich mit Neugier trafen.

Als der Weltgeist noch ein anderer war.

Befreunde, Mensch. Befreunde.